„Die Überlebenden sind die Hauptzeug:innen des Geschehens.“ So könnte man die Forderung der Angehörigen der Opfer des NSU nach Mitsprache womöglich zusammenfassen. Mit diesem, seinem Statement machte sich Ibrahim Arslan zum idealen Partner, um meine - privilegierte, weiße - Sicht auf die Angehörigen von Todesopfern rechter und rassistischer Gewalt in Deutschland zu ergänzen. Selber Überlebender eines rassistischen Anschlages (Mölln 1992) formte er dieses Portraitprojekt entscheidend mit. So weitetet sich der für uns interessante Personenkreis neben den (mehr oder weniger) bekannten Mordopfern auch auf die Verdachtsfälle, auf die an den Spätfolgen Gestorbenen und auf jene, die der alltägliche Rassismus in den Suizid getrieben hatte. Und unser Blick fiel ebenso auf die Zeit vor 1990 - das Jahr, in dem für alle Statistiken der Anbeginn rechter Gewalt zu liegen scheint. Um die Angehörigen nicht nur als Zeugen Ernst zu nehmen, sondern sie auch als Akteure zu würdigen, ließen wir sie die Orte für die Portraits aussuchen (als solche, die wichtig waren bzw. sind für die Verstorbenen oder die Hinterbliebenen). Und wir luden sie ein, die begleitenden Texte für das Buch „Die Angehörigen“ zu verfassen, um damit die Sichtweise der Betroffenen - der Hauptzeug:innen - in den Mittelpunkt zu stellen. Wir wurden damit Helfende der Angehörigen, die die Kontrolle über ihr Narrativ übernehmen.
Alle Zitate aus dem Buch "Die Angehörigen"